Category Archives: Recht

25Jul/11

Fünfjährige Radler dürfen kleine Strecken alleine fahren

 München/Berlin (DAV). Bei Kindern hängt das Maß der gebotenen Aufsicht von Alter, Eigenart und Charakter ab. Eltern verletzen nicht ihre Aufsichtspflicht, wenn sie ihr fünfjähriges, im Radfahren geübtes Kind ein Stück Weg alleine vorausfahren lassen. Über dieses Urteil des Amtsgerichts München vom 19. November 2010 (AZ: 122 C 8128/10) informiert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Eine Autofahrerin fuhr an einem Kindergarten vorbei, vor dem Kinder mit ihren Fahrrädern standen. Eines der Räder fiel um, und die am Rad befestigte Sichtstange beschädigte beide linke Fahrzeugtüren des Wagens. Die Beseitigung der Schrammen kostete 1.350 Euro. Diese Summe verlangte der Eigentümer des Wagens, der Ehemann der Fahrerin, vom Vater der fünfjährigen Radbesitzerin. Dieser habe schließlich seine Aufsichtspflicht verletzt. Das Mädchen sei ein Stück vor dem Kindergarten vor seiner Frau hergefahren und erst nach einer Weile auf den Gehweg gewechselt. Der Vater sei nicht in der Nähe gewesen.

Vor Gericht hatte der Autobesitzer keinen Erfolg. Der Vater habe seine Aufsichtspflicht nicht verletzt. Grundsätzlich müsse man davon ausgehen, dass nicht schulpflichtige Kinder bei Teilnahme am Straßenverkehr noch beaufsichtigt werden müssten. Dabei seien neben dem Alter des Kindes auch dessen Erfahrung im Straßenverkehr und die konkreten Straßenverhältnisse zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall fahre die Tochter bereits seit rund zweieinhalb Jahren Rad. Die Strecke zum Kindergarten fahre sie ebenfalls seit zwei Jahren. Vor diesem Hintergrund sei es keine Pflichtverletzung, dass sie das letzte Stück des Wegs alleine vorausfahren durfte. Es gehöre zu den Erziehungspflichten der Eltern, ihr Kind zu selbständigen und verantwortungsbewussten Verkehrsteilnehmern zu erziehen. Dazu sei es nötig, Kindern gewisse Freiräume zu geben, die es ihnen ermöglichten, Gefahrensituationen zu meistern. Außerdem müsse ein fünfjähriges Kind in naher Zukunft in der Lage sein, den Schulweg allein zu bewältigen. Es sei daher in Ordnung, wenn Eltern ein Kind, das sein Fahrrad beherrsche, kleinere Strecken, gerade auch auf wenig befahrenen Straßen, alleine fahren ließen.

Außerdem stehe fest, dass das Fahrrad aufgrund eines Getümmels vor dem Eingangstor zum Kindergarten umgefallen sei. Dies hätte der Vater auch nicht verhindern können, wenn er in Sichtkontakt gewesen wäre. Man könne nicht verlangen, dass permanent ein Elternteil die Lenkstange des Kinderrades halte. Dies würde einer Gängelei des Kindes gleichkommen, die einer normalen Persönlichkeitsentwicklung hin zum selbständigen Verkehrsteilnehmer nicht dienlich wäre.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

22Jul/11

Kein Schmerzensgeld für Sturz im Fußballstadion

 Brandenburg/Berlin (DAV). Im Fußballstadion muss man vorsichtig sein. Man muss sich auf Unebenheiten auf den Treppen ebenso einstellen wie auf Gedränge. Der Betreiber eines Stadions muss daher weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld zahlen, wenn sich jemand durch einen Sturz verletzt, entschied das Brandenburgische Oberlandesgericht am 14. Dezember 2010 (AZ: 2 U 25/09). Das berichten die Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Die Klägerin besuchte im Stadion der Freundschaft in Cottbus das Fußballspiel Energie Cottbus gegen Hannover 96. Auf der Stadiontreppe stürzte sie und erlitt einen Bruch des Sprunggelenkes und einen doppelten Bänderriss. Die Klägerin macht für den Unfall eine muldenförmige Unebenheit auf einer Stufe verantwortlich. Sie klagte gegen die Stadt Cottbus, die für den verkehrssicheren Zustand des Stadions verantwortlich ist, und forderte die Zahlung von Schadensersatz wegen des ihr als Journalistin entstandenen Verdienstausfalls und zusätzlich ein Schmerzensgeld.

Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz wurde die Klage abgewiesen. Die Unebenheit in der Treppenstufe sei insgesamt sehr flach und nach außen hin nicht scharfkantig abgegrenzt gewesen. Sie sei damit nicht so gravierend, dass man der Stadt den Treppenzustand als Pflichtverletzung vorwerfen könne. Weil auch im übrigen Stadion vergleichbare Stellen vorhanden seien, hätte die Klägerin sich darauf einstellen können und müssen. Auch bei großem Besucheraufkommen – wie an dem Abend des Unfalls – hätte sich die Klägerin an dem seitlich angebrachten Treppengeländer festhalten können. Die Treppenstufe hätte bei vorsichtigem Verhalten gefahrlos passiert werden können.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

22Jul/11

Verkehrsschilder müssen sichtbar sein


Hamm/Berlin (DAV). Verkehrsschilder, die zugewachsen sind, entfalten keine Wirkung. Autofahrer müssen aus der Umgebung – beispielsweise durch die Art der Bebauung – nicht ahnen, dass sie durch eine Tempo-30-Zone fahren. Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. September 2010 (AZ: III-3 RBs 336/09) weist die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Ein Autofahrer wurde zu einer Geldbuße wegen Überschreitung der Geschwindigkeit in einer Tempo-30-Zone um 40 km/h verurteilt. Das entsprechende Verkehrsschild war jedoch durch Laub verdeckt und objektiv nicht erkennbar, weswegen der Fahrer klagte. Das Amtsgericht führte aus, dass der Autofahrer aufgrund der örtlichen Verhältnisse wie etwa die Art der Bebauung und einer verengten Fahrbahn hätte erkennen können, dass der Bereich als Tempo-30-Zone ausgestaltet war.

Das sah das Oberlandesgericht anders. Maßgebend für die Verbindlichkeit von Verkehrsschildern sei deren Erkennbarkeit. Ebenso gelte der Sichtbarkeitsgrundsatz. Da das Geschwindigkeitsschild durch Laub verdeckt gewesen sei, habe es keine Wirkung entfaltet. Es bleibe daher bei einem Geschwindigkeitsverstoß wegen Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, also einer Überschreitung um „nur“ 20 km/h.

Wegen der geringeren Höhe des Bußgeldes und da es für eine Geschwindigkeitsüberschreitung in dieser Höhe keine Punkte in Flensburg gibt, ist hier eine Abänderung des Bußgeldbescheides für den Betroffenen besonders wichtig, erläutern die DAV-Verkehrsrechtsanwälte.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

22Jul/11

Urlaubsabgeltung und Arbeitslosengeldanspruch


Erfurt/Berlin (DAV). Beendet der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem erkrankten Arbeitnehmer, muss er prüfen, wann dessen Arbeitsunfähigkeit endet und sein Anspruch auf Arbeitslosengeld beginnt. Zahlt er dem Arbeitnehmer während der Krankschreibung eine Urlaubsentgeltung, darf dieser das Geld behalten. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Urlaubsentgeltung als Ausgleich für Leistungen der Arbeitsagentur an diese zu zahlen. Auf eine entsprechende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17. November 2010 (AZ: 10 AZR 649/09) macht die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) aufmerksam.

Seit Mitte 2005 war eine Arbeitnehmerin arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete mit dem Jahr 2005. Da die Arbeitnehmerin aber noch darüber hinaus krankgeschrieben war, bezog sie bis Ende März 2006 Krankengeld. Erst ab April 2006 erhielt sie Arbeitslosengeld. Der Arbeitgeber zahlte der Arbeitnehmerin während der Krankschreibung 2006 Urlaubsentgeltung für die 28 Urlaubstage aus 2005. Daraufhin wandte sich die Arbeitsagentur an den Arbeitgeber und verlangte von ihm diese Urlaubsabgeltung. Sie entsprach der Zahlung des Arbeitslosengeldes für den Monat April 2006. Der Arbeitgeber zahlte und forderte das Geld von seiner ehemaligen Arbeitnehmerin zurück.

In den ersten Instanzen bekam er Recht. Die Richter des BAG entschieden anders. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers habe seine Zahlung an die Bundesagentur die Arbeitnehmerin nicht von einer eigenen Verbindlichkeit gegenüber der Arbeitsagentur befreit. Die Arbeitsagentur habe zum Zeitpunkt der Krankschreibung keinen Anspruch gegen die Arbeitnehmerin gehabt. Die Arbeitnehmerin dagegen habe Anspruch sowohl auf Arbeitslosengeld als auch auf Urlaubsabgeltung gehabt, denn der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei nicht auf die Arbeitsagentur übergegangen. Ein Anspruch hätte nur entstehen können, wenn Arbeitslosengeld gezahlt worden wäre, obwohl der Anspruch geruht hätte. Ein solcher Ruhe-Zeitraum beginne aber stets mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Im vorliegenden Fall habe die Arbeitnehmerin aber in den ersten drei Monaten nach Ende des Arbeitsverhältnisses kein Arbeitslosengeld erhalten. Daher könne auch kein Anspruch der Arbeitsagentur entstehen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch könne nur im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. Beziehe der Arbeitnehmer vorerst Krankengeld, gehe der Anspruch auf Urlaubsentgeltung nicht auf die Arbeitsagentur über, betonen die DAV-Arbeitsrechtler. Der Arbeitgeber müsse dann einem Zahlungsverlangen der Arbeitsagentur auch nicht nachkommen.

Informationen: www.ag-arbeitsrecht.de

08Jul/11

Ohne Schlüsselübergabe keine Pflicht zur Mietzahlung

 Düsseldorf/Berlin (DAV). Ein Vermieter kann für die vermieteten Räumlichkeiten nicht allein schon aufgrund eines vorliegenden Mietvertrages Miete verlangen. Der Anspruch auf Mietzahlung entsteht erst, wenn der Vermieter dem Mieter den Schlüssel übergeben hat. Die Mietrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) verweisen auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 2010 (AZ: 10 U 60/10).

Der Vermieter hatte im August 2008 ein Mietobjekt erworben. Von einem Mieter verlangte er die Zahlung der Miete bzw. der Nutzungsentschädigung für die vorhergehenden Monate Juni und Juli. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche betrafen unterschiedliche Flächen im Mietobjekt. Der Vermieter begründete seinen Anspruch mit einem mündlichen Mietvertrag über die Büroräume im Obergeschoss vom Juli 2008. Nachdem das Landgericht der Zahlungsklage noch stattgegeben hatte, hatte der Mieter mit seiner Berufung beim Oberlandesgericht Erfolg.

Es sei unerheblich, ob tatsächlich aufgrund einer Besprechung im Juli 2008 ein mündlicher Mietvertrag über die Büroräume im Obergeschoss geschlossen worden sei, so die Richter. Denn selbst wenn ein Vertrag zustande gekommen sei, folge daraus nicht automatisch eine Zahlungspflicht des Mieters. Der vertragliche Anspruch auf die Miete entstehe nur, wenn der Vermieter dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der Mietsache verschaffe. Üblicherweise geschehe dies durch die Schlüsselübergabe. Diese Übergabe müsse der Vermieter darlegen und beweisen. Im Verfahren konnte der Vermieter jedoch weder die Schlüsselübergabe noch eine tatsächliche Nutzung nachweisen.

Nach Auskunft der Mietrechtsanwälte empfiehlt es sich für beide Parteien, immer auf eine exakte Anfertigung und Unterzeichnung von Übergabeprotokollen zu achten.

Informationen: www.mietrecht.net