Category Archives: Recht

04Mai/11

O-Ton: Nach der Entscheidung zur Sicherungsverwahrung

Berlin (DAV). Nachdem das Bundesverfassungsgericht heute die Regelungen zur Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter für verfassungswidrig erklärt hat, ist eine Neuregelung notwendig. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fühlt sich mit der Gerichtsentscheidung bestätigt und fordert den Gesetzgeber auf, mit Augenmaß ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen. Es muss einen Abschied vom reinen Verwahrvollzug geben.

„Wir haben die Entscheidung aus Karlsruhe so erwartet; der Gesetzgeber ist aufgefordert, Regelungen für die Sicherungsverwahrung zu finden, die sowohl verfassungskonform sind als auch den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention genügen“, fordert Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident. Durch ein schlüssiges Gesamtkonzept müsse durch einen vernünftigen, resozialisierungsfreundlichen Vollzug die Anordnung von Sicherungsverwahrung entbehrlich gemacht werden.

Der DAV hat zwar die vom Bundestag beschlossene Beschränkung auf bestimmte Straftaten begrüßt, sieht die Sicherungsverwahrung aber generell als ein Übel an. Sie hält Menschen auch nach Verbüßung der Strafe, zu der sie verurteilt wurden, auf unabsehbare Zeit in Haft. Dies allein aufgrund einer unsicheren Prognoseentscheidung. Der Straftatenkatalog ist aus Sicht der Anwältinnen und Anwälte immer noch zu umfangreich. Die so genannte Therapieunterbringung hält der DAV für verfassungs- und menschenrechtswidrig – zu Recht, wie sich nun gezeigt hat.

Bei einer Neuregelung müsse die erforderliche Behandlung der für eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommenden Gefangenen nicht erst mit deren Vollzug, sondern bereits mit dem Tag der Aufnahme in den vorausgehenden Strafvollzug beginnen, wenn die Betroffenen hierzu bereit sind. Die Behandlung sollte durch ein spezielles Behandlungsteam durchgeführt und auch extern von Gutachtern begleitet werden.

Kommt es dennoch zur Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Strafverbüßung, müssten differenzierte Unterbringungsformen vorgeschlagen werden, die sich an der Persönlichkeit der Betroffenen ausrichten und weiterhin das Bestreben verfolgen, die Dauer der Unterbringung möglichst kurz zu halten.

„Wir brauchen einen klaren Abschied vom bloßen Verwahrvollzug auch bei der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung“, fordert Ewer weiter. Beispielhaft könnten die von den Ländern Berlin und Brandenburg im Januar 2011 vorgelegten „Eckpunkte für den Vollzug der Sicherungsverwahrung“ sein.

O-Ton-Paket Swen Walentowski, Pressesprecher des Deutschen Anwaltvereins
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26Apr/11

Einsatzfahrzeuge müssen sich in Kreuzungen „hineintasten“

Brandenburg/Berlin (DAV). Einsatzfahrzeuge, die mit Blaulicht und Martinshorn fahren, müssen sich in Kreuzungen „hineintasten“. Beträgt die Geschwindigkeit des Einsatzfahrzeugs bei der Einfahrt in eine Kreuzung 30 km/h, so hat das Fahrzeug den Unfall zu 50 Prozent mit verursacht. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg am 13. Juli 2010 (AZ: 2 U 13/09), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Eine Autofahrerin war bei der Einfahrt in eine Kreuzung mit einem Feuerwehrfahrzeug kollidiert, das sich auf einer Einsatzfahrt befand. Wie ein Sachverständiger feststellte, fuhr das Einsatzfahrzeug mit 30 km/h über „Rot“ in die Kreuzung ein und stieß dort mit dem anderen Fahrzeug zusammen. Der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs hatte die so genannten Sonderrechte wahrgenommen, nämlich Martinshorn und Blaulicht eingeschaltet.

Das Landgericht Brandenburg wies die Klage der Frau mit der Begründung ab, das Einsatzfahrzeug habe sich in die Kreuzung hineingetastet. Dies sah das OLG Brandenburg jedoch anders und nahm eine Teilung der Haftung vor. Das Sachverständigengutachten ergab, dass die Kollisionsgeschwindigkeit bei 30 km/h lag. Dies war nach Ansicht der Richter des OLG zu schnell. Allerdings sei das Einsatzfahrzeug für die Klägerin sieben Sekunden sichtbar gewesen, sodass sie hätte angemessen reagieren können. Daher teilten die Richter die Haftung zwischen den beiden Parteien zu je 50 Prozent.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

26Apr/11

Stärkere Haftung für Fußgänger

Saarbrücken/Berlin (DAV). Fußgänger haben eine erhebliche Sorgfaltspflicht beim Überqueren von Fahrbahnen. Ereignet sich im unmittelbaren Zusammenhang damit, dass ein Fußgänger eine Straße überquert, ein Unfall, kann nicht generell von der Schuld des Fahrers ausgegangen werden. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken am 13. April 2010 (AZ: 4 U 425/09), wie die Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilen.

Ein Motorradfahrer war mit einem Fußgänger zusammengestoßen, als dieser versuchte, eine Straße zu überqueren. Der Motorradfahrer bremste sein Fahrzeug stark ab, stürzte und verletzte sich dabei.

Die Richter sahen zwei Drittel der Schuld bei dem Fußgänger und ein Drittel bei dem Motorradfahrer. Zwar gehe von einem Motorrad eine grundsätzliche Betriebsgefahr aus, und außerdem sei der Fahrer mit einer um 15 km/h erhöhten Geschwindigkeit gefahren, jedoch habe der Fußgänger gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen. Nach Auffassung des OLG haben Fußgänger die Pflicht, den vorrangig fließenden Verkehr beim Überqueren zu beobachten. Spätestens ab der Straßenmitte sollte ein Fußgänger erneut nach rechts schauen, um festzustellen, ob ein gefahrloses Weitergehen noch möglich sei. Außerdem hätte der Fußgänger bei der vorhandenen Sichtmöglichkeit noch genügend Zeit gehabt, die Straße gefahrlos zu überqueren. Das ergab eine Begutachtung der Unfallstelle. Nach Ansicht der Richter habe der Fußgänger dem Verkehr nicht genügend Beachtung geschenkt.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

25Apr/11

Vereinbarung über Zu- und Abfahrtswege ist einzuhalten

Nürnberg/Berlin (DAV). Das Recht, Teile eines Grundstücks als Zufahrt und Zugang zu benutzen, kann auch durch einen einfachen Vertrag vereinbart werden. Ein Grundbucheintrag ist nicht erforderlich. Um sich von solch einer Vereinbarung nach vielen Jahren wieder zu lösen, bedarf es schwerwiegender Gründe, entschied das Oberlandesgericht Nürnberg am 7. September 2010 (AZ: 1 U 258/10), wie die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Als vor 20 Jahren in einem Neubaugebiet gebaut werden sollte, hatte eine Grundstückseigentümerin keinen Anschluss an die öffentlichen Straßen. Sie einigte sich jedoch mit dem zukünftigen Nachbarn, der ihr gestattete, einen drei Meter breiten Streifen auf seinem Grundstück zu nutzen. Gleichzeitig kam man überein, die für die Neubauten erforderlichen Versorgungsleitungen gemeinsam zu verlegen und zu bezahlen. Festgehalten wurde dies aber lediglich in einem Brief, den der Eigentümer der Zufahrt im Dezember 1990 an seine Nachbarin schickte. Damals waren alle Beteiligten mit dieser Lösung einverstanden, und es bestand bestes nachbarschaftliches Verhältnis.

Als in den folgenden Jahren der das Zufahrtsrecht gewährende Nachbar sein Anwesen zu einem Mehrgenerationenhaus ausbaute, kam es zu Problemen. Die drei Töchter hatten sich zwischenzeitlich Autos angeschafft und benötigten Parkplätze. Hierfür hätte sich aus Sicht des Eigentümers der drei Meter breite Streifen vor dem Eingang seines Hauses, der der Nachbarin nach wie vor als Zufahrt diente, geeignet. So stritten die Nachbarn über den Fortbestand des Nutzungsrechts.

Die Klägerin bekam Recht: Sie kann auch weiterhin über das Grundstück des Nachbarn zu ihrem Anwesen gelangen. Auch mit dem formlosen Schreiben des Beklagten von Dezember 1990 sei ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien geschlossen worden. Grundsätzlich könne das Recht zur Benutzung eines Grundstückes zum Befahren und zum Begehen auch durch einfachen Vertrag geregelt werden. Diesen Vertrag hätte der Beklagte nur aus wichtigem Grund kündigen können. Ein solcher schwerwiegender Grund habe aber nicht vorgelegen. Es sei deutlich, dass die Klägerin auf die zeitlich unbegrenzte Wirksamkeit des Vertrags dringend angewiesen sei. Somit bestehe das Zufahrtsrecht weiter.

Wenn ein Grundstück nicht über eine öffentliche Straße, sondern nur über ein benachbartes Grundstück erreicht werden kann, bedarf es einer Regelung. Das Recht, zum Zwecke des Befahrens und Begehens des eigenen Grundstücks ein fremdes zu nutzen, kann in Form einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen und damit in seinem Bestand rechtlich sicher ausgestaltet werden, erläutern die DAV-Immobilienrechtsanwälte.

Informationen: www.mietrecht.net

25Apr/11

Nachbarn können Studentenwohnheim nicht verhindern

Mannheim/Berlin (DAV). Grundsätzlich darf ein Studentenwohnheim in einem Wohngebiet gebaut werden. Die Nachbarn können sich nicht gegen die Baugenehmigung wehren, wenn sich das Wohnheim in das bereits durch „studentisches Wohnen“ geprägte Bebauungsumfeld einfügt. Dies entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 9. Juli 2010 (AZ: 3 S 1138/10 und 3 S 1139/10), wie die Miet- und Immobilienrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilen.

Benachbarte Wohnungseigentümer wandten sich gegen eine Baugenehmigung für den geplanten Neubau eines Studentenwohnheims. Sie begründeten ihre Anliegen vor allem mit dem zu erwartenden Verkehrsaufkommen, der zu geringen Zahl vorgesehener Parkplätze sowie mit der zu erwartenden Lärmbelästigung.

Das Gericht entschied jedoch, dass die Baugenehmigung nicht gegen geltendes Recht verstoße. Die typische Prägung des Baugebiets bleibe gewahrt. Es zeichne sich auch jetzt schon durch „studentisches Wohnen“ aus. Es mache auch keinen erheblichen Unterschied, ob Studierende in Wohnungen und Einzelzimmern oder in Wohnheimen lebten. Damit hätten die Nachbarn die mit der Nutzung des Wohnheims üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen durch An- und Abfahrtsverkehr sowie Besucherparkverkehr ebenso hinzunehmen wie andere mit der Wohnnutzung allgemein verbundene „typische Lebensäußerungen“ der Bewohner. Üblicherweise gehe von einem Wohnheim keine für die Nachbarn unzumutbare Lärmbelästigung aus. Die zusätzlich vorgesehenen 13 Parkplätze seien auch ausreichend. Bei der Bewertung müsse berücksichtigt werden, dass in 300 Metern Entfernung mehr als drei Bus- bzw. Bahnlinien werktags in einem Takt von maximal zehn Minuten verkehrten. Daher sei nicht zu erwarten, dass das Wohnheim ein erhöhtes Verkehrsaufkommen bewirke, das unzumutbar sei.

Informationen: www.mietrecht.net